Parlamente und Repräsentanten

Die Struktur unserer parlamentarischen Demokratie wird durch den föderalen Aufbau unseres Staatsgefüges, d.h. in den Ebenen «Europa-Parlament», «Bundestag», «Landtag» (hiermit sind auch die Abgeortnetenhäuser der Stadtstaaten gemeint) und «Kommunalparlament» deutlich. Jede dieser Ebenen (im Folgenden als «Wahlebenen» bezeichnet) besitzt eigene Repräsentanten, Wahlverfahren und Wahlereignisse, wobei wir uns in diesem Zusammenhang auf die Frage konzentrieren: Wer wählt wen bzw. was ist ein „Wählbarer“, und welche Eigenschaften machen ihn zu einem „Repräsentanten“? Nehmen wir als Beispiel einer Wahlebene den Bundestag. Je nach Blickwinkel der Aufgabenstellung lassen sich zwei verschiedene Antworten formulieren.

Die erste sieht in einem Repräsentanten eine Partei, welche über das Stimmgewicht ihrer Abgeordneten verfügt (im Folgenden als REP1 bezeichnet). Ein Repräsentant ist hier also keine Person, sondern eine Idee bzw. eine philosophische Linie, welche, in einem Parteiprogramm zusammengefasst, seinen Charakter definiert.


 Die Repräsentanten des 13. Bundestags nach der Wahl '94

Diese Sichtweise entspricht dem Verständnis der Zweitstimme einer Bundestagswahl, bei welcher der Wähler durch jede Wahl die Stärke seiner Repräsentanten neu bestimmt. Besitzt ein Repräsentant nicht genug Stimmgewicht, verfallen seine Stimmen vollständig. Die vielfältigen Aufgaben, die ein Repräsentant in seiner Gesamtheit zu bewältigen hat, ergeben sich durch themenorientierte Spezialisierung einzelner Mitglieder oder Gruppen des Repräsentanten (beispielsweise besitzt jede der im Bundestag vertretenen Parteien Gruppen von Spezialisten für die Bereiche Außenpolitik, Wirtschaft, Finanzen, etc) .

Die zweite Sichtweise sieht jeden einzelnen Abgeordneten als Repräsentanten (die Verwendung des Kürzels REP2 soll auf einen Repräsentanten dieses beschriebenen Typs verweisen). Von der Intention der Erststimme einer Bundestagswahl ausgehend, soll dieser ein direkter Vertreter seines Wahlkreises sein und diesen repräsentieren. Er verfügt über ein persönliches Gewissen und Lebensphilosophie und die (erklärte) Verantwortung, seine Wähler möglichst gut zu vertreten. Das Gewicht seiner Stimme beträgt, unabhängig von der Größe des Wahlkreises oder der erlangten Erststimmen, immer eins.

Zur Ausführung einer philosophischen Linie ist es unerläßlich, zu allen Themenbereichen Stellung zu beziehen. Ein einzelner Mensch ist jedoch nicht in der Lage, sich in alle relevanten Themenbereiche qualifiziert einzuarbeiten. In der Realität, d.h. beispielsweise im Bundestag, ist dieses Dilemma durch die Tatsache gelöst worden, dass ein Abgeordneter normalerweise Mitglied in einer Partei ist. Dies impliziert, dass diese Person große (vermeintliche) Übereinstimmungen zwischen der eigenen politischen Überzeugung und der parteiprogrammatischen Linie aufweist. Der Abgeordnete hat so die Möglichkeit, auf das Urteil der Spezialisten innerhalb der Partei zu vertrauen. Erst wenn er zu starke Differenzen zwischen seiner Linie und der Parteientscheidung bei einer Abstimmung sieht, ist sein persönliches Gewissen gefragt.

Zusammengefasst lässt sich ein Repräsentant folgendermaßen beschreiben:

Stimmenberechnung Inhalt gesellschaftliche Analyse

©1998 by Andreas Fahrig & Christian Stamm