Das „Project Costa Rica“

Dieses Projekt wurde 1997 mit der Zielsetzung gegründet, in der Republik Costa Rica ein computerbasiertes Wahlsystem einzuführen. Project Costa Rica ist eine gemeinschaftliche Anstrengung der Villanova University School of Law, dem Illinois Institute of Technology's Chicago-Kent College of Law und dem Center for Information Law and Policy (“CILP“) und basiert auf den Grundlagen, die im Project Bosnia gesammelt wurden.

In Bosnien arbeiteten CILP, Villanova und Chicago-Kent gemeinsam an einem Internet-basierten System zur Verbreitung von rechtsgültigen Informationen. Durch das Dayton-Abkommen wurde allen Bosniern erlaubt, in ihren Heimatgebieten an Wahlen teilzunehmen - auch wenn sie als Folge des Krieges in andere Regionen vertrieben wurden. Um auch den bosnischen Bürgern die Teilnahme an Wahlen in ihrer Heimatregion ermöglichen zu können, die aufgrund verschiedenster Umstände nicht zum Zeitpunkt des Wahltermins in ihrem Heimatort anwesend sein können, begann das Project Bosnia an einem System zu arbeiten, das die Abgabe von Stimmen über das Internet realisieren sollte. Als ersten Versuch entwickelte die Villanova Law School ein Internet-basiertes Wahlsystem, das die Schule selbst für interne studentische Wahlen verwendete.

Parallel zu diesen Arbeiten entwickelte Costa Rica Interesse an einem computerbasierten Wahlsystem, und somit führten die im Project Bosnia gesammelten Erfahrungen zur Gründung des Project Costa Rica, obwohl das System in Bosnien selbst nicht zum Einsatz kam. Als Ergebnis eines Treffens von Mitgliedern des Projektes und Vertretern der staatlichen Organisation zur Kontrolle nationaler Wahlen im August 1997 wurde eine Vereinbarung über den Testlauf eines Internet-basierten Wahlsystems während der Wahlen am 1. Februar 1998 getroffen. Geplant war die Einrichtung von fünf bis zehn Wahlstationen, in denen parallel zur „normalen“ Durchführung der Wahl die Wähler zusätzlich über sogenannte „Trainings-Stationen“ am Computer ihre Wahl tätigen sollten. Hierzu sollten die Wähler zuvor auf das System geschult werden. Die Durchführung dieses Testlaufs fand jedoch nicht statt, und bis heute ist leider ohne Angabe von Gründen noch kein neuer Termin bekannt. Die Zielsetzung des gesamten Projekt sieht die vollständig computerbasierte Durchführung der Wahlen im Jahr 2002 vor.

Die Begründungen für die Einführung eines computerbasierten Wahlsystems in Cost Rica wurden von den Entwicklern des Projektes in drei Kategorien bzgl. der Unterstützung gesellschaftlicher Interessen unterteilt:

1. Erhöhung der Wahlbeteiligung

Die Entwickler des Systems sind der Meinung, dass in absehbarer Zukunft alle Wähler über Computer mit Anschluss an ein nationales oder globales Netzwerk ihre Stimme abgeben werden können, wobei durch die damit verbundene einfache Zugriffsmöglichkeit auf eine „Wahlkabine“ die Wahlbeteiligung mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärkt werden würde. Aufgrund der aktuell beschränkten technischen Infrastruktur des Landes und der geringen Anzahl von installierten Home-Computern in Cost Rica wird aber zunächst von der Implementierung des „Vote From Home“ abgesehen.

2. Schutz vor Wahlbetrug

In Costa Rica existieren zur Zeit etwa 8000 Wahlstationen, in denen die Wahlzettel manuell gesammelt und tabellarisch erfasst werden. Diese Tabellen werden zu einer zentralen Stelle, dem Wahl-Tribunal, gebracht, wo aus ihnen das Endergebnis berechnet wird. Betrug könnte in jeder dieser Entitäten oder auch auf dem Übertragungswege zwischen ihnen stattfinden.

Die Entwickler des Systems gehen davon aus, dass eine Zentralisierung der Sammlung bzw. Auswertung von Stimmen und eine Einschränkung des Personenkreises für den Zugriff auf die relevanten Dateien in Verbindung mit der Eliminierung von Betrugsmöglichkeiten auf dem Transportweg durch die Verschlüsselungstechniken die Möglichkeiten des Betrugs insgesamt drastisch reduzieren würden.

Wir wollen an dieser Stelle anmerken, dass eine Zentralisierung der auswertenden Instanzen eine Machtkonzentration auf einige wenige Entitäten bzw. Personen mit sich bringt, womit in hohem Maße die Gefahr des Missbrauchs verstärkt wird. Der richtige Ansatz sollte unseres Erachtens der sein, sichere technische Verfahren zu verwenden und auf möglichst viele Entitäten und die damit verbundenen Transportwege gleichermaßen anzuwenden. Der mögliche Schaden durch einen eventuellen Missbrauch wäre somit stark eingeschränkt.

3. Erhöhte Effizienz

Die Entwickler des Systems stellen fest, dass die zentralisierte elektronische Sammlung von Stimmen prinzipiell schneller und billiger sei, als das traditionelle Verfahren der Sammlung von Stimmen in einzelnen „Wahlstationen“. Abgesehen von unserer Anmerkung bzgl. der Machtkonzentration unter 2. stellen wir dieses Begründungskonzept deshalb in Frage, weil eine zentrale Sammlung und Auswertung der Stimmen im Detail nicht einfach nur die Anwendung von Additionsverfahren darstellt, sondern konkret das Überprüfen von digitalen Signaturen, das Dechiffrieren elektronischer Wahlzettel und die Verwaltung eines einzigen gigantischen Datenbestandes. ( In der Bundesrepublik Deutschland waren zur Bundestagswahl 1994 60.452.009 Wahlberechtigte zugelassen, von denen 47.737.999 tatsächlich an der Wahl teilnahmen.) Da die Hauptkosten bei der Einrichtung eines computerbasierten Wahlsystems darin liegen, jedem Wähler einen Zugang zu diesem zu ermöglichen, stellt die zusätzliche Anschaffung von Rechnern für eine größere Anzahl von Wahlentitäten keinen wesentlichen zusätzlichen Kostenfaktor dar. Unter Verwendung der heutigen Kommunikationsmedien für die Datenübertragung bei einer Dezentralisierung der Erfassungsstellen stellen auch die zusätzlichen Kommunikationsvorgänge keine Reduzierung der Effizienz dar, zumal eine dezentrale Auswertung eine Reduzierung des Datenaufkommens mit sich bringt.

Der Umstand, dass in Costa Rica die Bürger, deren aktueller Wohnsitz nicht mit dem registrierten übereinstimmt, durch Anmietung von Bussen und Autos unter Übernahme der Kosten durch den Staat für ihre Stimmabgabe in ihren Heimatort gebracht werden, ist auf jeden Fall ein zusätzliches Argument für die Einführung eines computerbasierten Wahlsystems.

Sensus Inhalt technische Grundlagen

©1998 by Andreas Fahrig & Christian Stamm